Ich bin von Gretsch nur Gutes gewohnt, also habe ich natürlich erwartet, das was Überzeugendes aus dem Karton fällt. Ich besitze eine - deutlich teurere - Gitarre eines anderen bekannten Herstellers mit einem G im Namen, die von der Verarbeitung und Optik gegen das, was ich hier geliefert bekommen habe, wie die bucklige, kleine Schwester wirkt, die man bei Familienfeiern gerne auf dem Dachboden versteckt. Die Gretsch ist derartig makellos und wertig verarbeitet, dass schon der erste optische Eindruck atemberaubend ist. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Spielgefühl. Die Gitarre war tiptop eingestellt, so dass sich hieraus und aus der vorbildlichen Verarbeitung sofort das "hier bin ich zuhause"-Gefühl eingestellt hat. Sie lässt sich mühelos im Sinne von "ohne Kraftaufwand" spielen, das Bigsby arbeitet einwandfrei (so einwandfrei, wie ein Bigsby-System eben arbeitet), die Potis sind genau auf dem richtigen Mittel zwischen stramm und leichtgängig. Die Haptik ist also schonmal erstklassig.
Als nächstes ging's in den Proberaum, zweimal 3 Stunden das volle Programm an Sounds testen, die ich brauche und nutze. Die P90 haben einen schönen Punch, machen Druck mit dicken Bässen, die aber immer straff und klar bleiben, und Höhen, die nie schrill werden. Das macht dann vor allem bei höheren Zerrgraden eine gute Figur. Im cleanen Bereich könnten die Pick-ups manchmal etwas brillanter daher kommen, aber das ist Gejammer auf sehr hohem Niveau - ein Eindruck, den man eben bekommt, wenn man einen sehr kleinlichen und unfairen Vergleich zu einer Telecaster mit Leosound-PUs anstellt. Insgesamt gibt es am Clean-Sound nichts auszusetzen. Ich habe beim Sound nur 4 von 5 Sternen gegeben, weil dem Sound ein wenig die Wiedererkennbarkeit fehlt, die man von Gretsch-Modellen mit Filtertrons kennt. Die erkennt man am Sound sofort, das hört man und weiß: "Ah, Gretsch!" Das passiert hier bei diesem Modell nicht, man bekommt einen sehr guten P90-Sound, der aber auch von einer anderen Gitarre mit solchen PUs stammen könnte. Das kann aber für manche Nutzer ja auch ein Pro statt ein Contra sein. Ich persönlich hätte noch etwas mehr Individualität im Sound vertragen, muss aber zugeben, dass die Gitarre in dieser Form universeller ist als beispielsweise meine Gretsch G6128 mit Filtertrons. Die klingt toll und wiedererkennbar, wäre aber für manche Stilrichtungen nicht nutzbar. Hat also alles seine Vor- und Nachteile, und es soll hier auch nicht so klingen, als wäre ich in irgendeiner Weise unzufrieden. Der Sound ist absolut umwerfend und muss sich vor deutlich teureren Gitarren nicht verstecken.
Insgesamt war das einer der befriedigendsten Gitarrenkäufe, die ich jemals getätigt habe (und Gott weiß, ich habe schon einige Gitarren gekauft). So viel Qualität und Schönheit für diesen Preis, so viel Power und Dynamik im Sound, so ein angenehmes Spielgefühl - das würde sich mancher Hersteller sicher teurer bezahlen lassen. Sicher, "billig" ist das Instrument nicht, aber es ist jeden Euro wert, den man dafür hingelegt hat, darauf kommt es an. Mein Fazit:
Ein Top-Instrument für Leute, die Gretsch-Optik und Qualität mögen, aber bisher vor dem Gretsch-typischen Sound zurückgeschreckt sind. Hier bekommt man einen universell einsetzbaren, erstklassigen Sound und ein Luxus-Spielgefühl für weit unter 1000 Euro - das ist ein Hammer, ohne Frage. Wer dieses Ding einmal in der Hand hatte, wird andere Modelle ähnlicher Bauart und Preisklasse zukünftig ansehen wie den letzten Rest vom Kartoffelbrei, den keiner mehr haben wollte.