Ein wunderbares Instrument, schon wie es sich in der Vitrine ausnimmt: gelb und gold glänzend, schlank aufragend, dabei sich exakt verjüngend von der zart floral gravierten Schallstürze bis zum mundstückkorkbelegten Hals, der im übrigen gegen einen komfortabel gebogenen und ohne Aufpreis mitgelieferten sich austauschen läßt ? beide tragen stolz die Oktavklappe mit dem Selmer-S, das neuerdings nicht mehr königsblau, sondern in einem mit Schwarz changierenden Nachtblau lackiert die noble Identität des Musenwerkzeugs anzeigt.
Die prachtvolle Applikatur tut das Ihrige, den stimulierenden Augenschein zu steigern und den Betrachter zu näherer Inspektion zu reizen: also heraus aus dem distanzierenden Glasgehäuse, auf daß der Tastsinn dem Sehsinn folge zur Wahrnehmung des köstlichen Objekts. Wie leicht es doch ist, wie schmeichelnd auch die Perlmutteinlagen der Klappen den Fingerkuppen! Wie geräuschlos und glatt der Lauf der Mechanik, wie zuverlässig der Schluß der Metallresonatoren tragenden Lederpolster! Wie präzise auch die, dem Kundigen als Besonderheit sofort bemerkbaren, ungewöhnlich hohen Tonkamine der Seitklappen aufgelötet sind, so haben die Pariser Meister mit der nämlichen Akribie die das Klappengestänge tragenden Platten und Böcke mit silbernem Lot auf der Rundung des Corpus befestigt. Die auffällige Höhe und Weite der ersteren soll die Intonation in der dritten Oktave verbessern, was aus der Sicht des Spielers zu bestätigen ist. Dies kommt besonders auch der im Sopranregister üblichen Skalenerweiterung nach g3/f3 klingend zugute. Die Möglichkeiten der Feinabstimmung der Mechanik über den vollen Tonumfang verdient ebenfalls die nachdrücklichste Erwähnung. Der außerordentliche Rang der handwerklichen Leistung umfaßt ganz nebenbei auch die exakte Kürzung der Blaustahlfedern oder der S-Bogenhalteschraube wie auch die tadellos ihrer Funktion genügenden Rollen der Kleinfingerklappen.
So soll der Hörsinn nun zur Anwendung kommen, muß doch vor allen er am Ende sein Genüge finden und befriedigt werden. Um das Wunderwerk seiner eigentlichen Bestimmung gemäß in Gebrauch zu nehmen, bediene man sich zuerst des gleichfalls beigefügten Selmer C80+ Standardmundstücks armiert mit einem Blatt der Stärke 3 ? man wird es sofort schätzen lernen. Mit konventioneller Blastechnik steht dem Instrumentalisten, allerdings erst bei nahezu vollständigem Verschwinden der Korkarmierung mit h1/klingend a1 entsprechend 440Hz, nach kurzer Einspiel- und Erwärmungszeit bei angenehmem Blaswiderstand und sicherer Intonation der gesamte Skalenumfang in leicht näselnder, schalmeienartiger Färbung, wie sie für das Sopraninstrument charakteristisch ist, ganz selbstverständlich zu Gebote; dessen Heikel-Problematisches der Intonation in der dritten Oktave lebt, weil gewissermaßen sopran-physikalisch verursacht, immerhin weitmöglich abgemildert auch in dem vorliegenden, hochkultivierten Vertreter fort. Der so erzeugte Klang entspricht uneingeschränkt dem Anwendungsbereich der E-Musik ? die Grenzüberschreitung zum Jazz oder weiteren styles der U-Musik gelingt jedoch unmerklich und anstrengungslos, zumal wenn ein entsprechendes (Metall-)Mundstück zum Einsatz kommt, wie etwa das jahrzehntelang gebrauchte Jazz-Modell aus der Zinner-Werkstatt. Sidney Bechet hätte jedenfalls seine Freude gehabt an der klanglich strengen Prägung, die sich solistisch mit gleicher Überzeugungskraft zu einer u-musikalischen Deszendenz ummünzen läßt. Dabei hilfreich sein soll auch das Ring-Binnenrelief des Zapfens der S-Bögen sein, ein physikalisch wirkender Klangverstärker.
Zu guter Letzt: das Zubehör ist reichhaltig, lediglich ein Döschen Korkfett wird vermißt. Der Instrumentenkoffer, auch als Rucksack nutzbar, entstammt der gleichen durchdachten Akribie der Meisterhandwerker der Selmer-Manufaktur wie das darin in sicherer Bequemlichkeit geborgene edle Klangwerkzeug, welches weltweit nicht Seinesgleichen findet.