Ich hab schon seit ein paar Jahren eine Faszination für Extended Range Gitarren entwickelt und hatte bereits zwei Achtsaiter von Ibanez, darunter die RG 2228, mit der immerhin Tosin Abasi seine ersten Alben eingespielt hat. Das war zwar schon irgendwie geil, die tiefen Riffs zu spielen, letztlich war das aber ein schweres Riesentrumm, und spätestens ab der G-Saite hat sie einfach nicht mehr gut geklungen, was wohl der Grund ist, warum die immer so Djentmäßig eingestellt wird, da fällt der Grundklang dann nicht mehr so auf. Meine Band Neronia hat sich dementsprechend immer mit Händen und Füßen gewehrt, wenn ich das Ding mitgebracht habe, so dass ich sie dann letztlich wieder vertickert habe. Die Strandberg habe ich dann mal irgendwo entdeckt und mir vorgenommen, sie beim nächsten Geldvorkommen mal in die nähere Betrachtung einzubeziehen.
Was für ein geiles Instrument: die Verarbeitung des in Indonesien hergestellten und dafür überraschend teuren Instruments ist mindestens so gut wie bei anderen Gitarren auf diesem Preisniveau, sie kam direkt aus dem Karton gestimmt und gut eingestellt spielbar. Später habe ich den Halsstab noch ein bißchen lockerer eingestellt, weil es mir zu niedrig und zu gerade zuging, was aber mit dem mehr als ausreichend mitgelieferten Werkzeug eine Minutensache war. Highlight sind zunächst die Maße, denn das ist mit Ausnahme meiner Ukulele und der Reisegitarre mein kleinstes und leichtestes Instrument. Und so läßt sie sich auch spielen, dieser speziell geformte Hals ist trotz eigentlicher Überbreite für meine nicht übermäßig großen Hände eine Wohltat, die Griffposition ist vom Tiefen F# bis zum höchsten E perfekt. Und was mir besonders auffällt, das Abdämpfen der Saiten mit der rechten Hand funzt zehnmal besser als bei meiner Ibanez, mit der ich immer irgendeinen bescheuerten Ton (meistens von einer der beiden tiefen Saiten) mitschwingen hatte, die Hand liegt irgendwie besser drauf, weil die Strandberg sich insgesamt besser positioniert. Das gilt für das Spiel sowohl im Stehen als auch im Sitzen, da gibt es fast keinen Unterschied, total geniale Bauform, da ist nichts im Weg.
Bereits unverstärkt fällt auf, dass die Strandberg richtig gut klingt, und zwar über alle Saiten und Lagen, was sicher damit zusammenhängt, dass hier gutes Tonholz -Ahorn für den Hals, Sassafras (bei meiner Gitarre, ansonsten die dazu ähnliche Sumpfesche, weil denen wohl das Sassafras gleich wieder ausgegangen ist, vgl. Website Strandberg) für den Korpus- verarbeitet wurde. Da machts schon Spass, beim Fernsehgucken ein paar Tonleitern zu dudeln, bis man vom Hund angefallen oder von der Ehefrau des Feldes verwiesen wird.
Die Mechaniken sind übrigens super gut und machen ihren Job völlig unaufgeregt, aber die Klampfe bleibt so gut in Stimmung, da ist das eher Nebensache. Ein Stimmgerät passt überraschenderweise auch gut an die (natürlich nur fragmentarisch existierende) Kopfplatte, ich hab mehrere unterschiedliche Tuner, die mit ihr alle gut funktionieren.
Und dann am Amp die nächste Überraschung: die Fishman Fluence Pickups kann man per Push-Pull-Poti auf zwei Voicings und auf Single Coil schalten, und damit läßt sich von Vintage Strat-ähnlichen (schon klar, Mark Knopfler muss bei ner Strat bleiben, so weit dann doch nicht) über AC-DC Crunch (der schon sehr ähnlich klingt) bis Higain Lead a la Petrucci und natürlich die Genretypischen Abasi/Henshall usw.-Töne alles abbilden, was so gewünscht wird, d.h. da hat man eine absolute Allrounderin leicht und rückenschonend vorm Bauch hängen, die nach hinten versetzte Klinkenbuchse nimmt man gar nicht wahr, die Potis und der Schalter sind in perfekter Grifflage, und noch mal, das Teil spielt sich wie Butter.
Jetzt noch ohne Hingucken daran gewöhnen, dass die E-Saite nur noch die dritte von oben und nicht mehr die erste ist, dafür kann man das E aber auch am fünften Bund der H-Saite spielen, und das ist fettttt!!
Für mich das perfekte Instrument, und die Strat oder PRS wird nur noch genommen, wenn ein Tremolo gefragt ist, das hat sie leider nicht, aber ich glaube auch nicht, dass ihr das wirklich fehlt, das würde in dem Fall dem Ton nicht wirklich gut tun.
Daher das Gesamtfazit: eine perfekte Gitarre für Gitarristen, die nicht nur Riffs auf den tiefen Saiten schrubben wollen, sondern auch mal mit geilem Ton ein Solo spielen, Songs im Repertoire haben, die nach ner ganz normalen Gitarre mit eher traditionellem Sound verlangen, oder auch einfach einen bereits existierenden Bassisten nicht arbeitslos machen wollen und nur punktuell mal nen geilen tiefen Ton oder Akkord einsetzen. Für alle (und alte wie mich) Shredder sowieso.