Yamaha hat der aktuellen Revstar-Standard technische Neuerungen verpasst, die mich neugierig gemacht haben. So habe ich dieses (nach meinem Empfinden besonders attraktive) Modell in swift blue erwartungsfroh bestellt.
Entgegen der zum Bestellzeitpunkt von Thomann ausgewiesenen Lieferzeiten kam mein Exemplar relativ zügig an. Ich wurde nicht enttäuscht. Die neue Gitarre soll mir mit ihrem angenehmen Handling (Gewicht, Shaping, Balance) und ihrer Soundausbeute als Workhorse dienen. Ich spiele hobbymäßig in verschiedenen Bands Swing, Jazz, Blues, Soul, Pop - also meist clean bzw. nur mäßig angezerrt. Dafür benötige ich eine klanglich flexible Gitarre, die man nicht wegen ihres hohen Preises ständig nervös im Auge behalten muss.
Die in dem unten auf der Produktseite verlinkten Bonedo-Review beschriebenen Eigenschaften kann ich bestätigen (mit einer Ausnahme, siehe weiter unten). Die Gitarre resoniert trocken gespielt sehr lebhaft. Stärker als meine Semi-Hollows (Yamaha SA2200 und Fender Thinline-Teles). Das liegt vielleicht an den ungewöhnlichen Ausfräsungen im Mahagoni-Body (auf der Yamaha-Webseite zu sehen). Jedenfalls gibt die Revstar ein spürbares Feedback, so dass sich das Gefühl eines lange eingespielten Instruments auch ohne Relic/Aging oder Kryo-Tuning einstellt. Beachtlich!
Elektrische Neuerungen:
1. Fünfwegschaltung mit zwei Zwischenpositionen, in der beide Pickups jeweils durch unterschiedliche Phasenverschiebungen zusammengeschaltet sind. - Die zusätzlichen Klangvariationen unterscheiden sich deutlich von den drei Grundsounds, bleiben brummfrei und verringern nicht den Output (wie bei Coil-Tap oder herkömmlichem Out-of-phase). Außerdem klingen sie irgendwie rauer (mir fällt kein passenderes Adjektiv ein). Sie erinnern entfernt an Strat-Zwischenstellungen, fühlen sich für mich aber eher so an, als würde ich damit den Amp-Charakter umschalten. Antesten empfohlen! Mir gefallen diese Schaltoptionen gut und ich nutze sie oft.
2. Passiv-Boost beim Herausziehen des Tone-Reglers. - Auch das funktioniert tadellos; die Frequenzverschiebung (Mitten-Push sowie leichte Zähmung der Höhen) eignet sich gut, um angezerrte Sounds weiter anzufetten. Man empfindet einen deutlichen Lautstärkeschub. Der Boost funktioniert auch bei cleanem Verstärker, dort stört mich aber die Frequenzverschiebung, so dass ich darauf verzichte.
Das Griffbrett ist angenehm schmal (deutlich schmaler als bei den Yamahas der SG-Serie) und der Hals bietet der Greifhand dennoch genügend Substanz. (Im Vergleich zu Gibson also kein "slim taper neck", sondern eher ein schlanker 59er Les-Paul-Hals.) Die matte Lackierung der Halsrückseite empfinde ich ebenfalls als angenehm. Der Korpus ist etwas dünner als bei den meisten Solidbodies und hat den typischen Rippenspoiler sowie frontseitig eine Abflachung für den rechten Unterarm. Die Revstar ist leichter als eine Gibson Les Paul, aber kein Ultraleichtgewicht. Die Mechaniken laufen weich und präzise. Die Tulip-Flügel aus Kunststoff sehen "vintage" aus, die Tuner sind aber gekapselte, wartungsfreie Typen. Die Lackierung ist tadellos. Nirgendwo sind Lacknasen oder Kleberreste zu entdecken, auch die schmalen Griffbretteinlagen sitzen fugenlos. Alle Schrauben sind clean und sitzen fest. Bridge, Tailpiece und Buchsenblech - nichts rappelt oder zeigt Spiel. Die Gurtknöpfe sind gut dimensioniert und gut platziert. (Tipp: Mit einem D'Addario Auto Lock Strap kann man getrost auf Straplock-Fummelei verzichten.)
Was mir nicht gefallen hat:
Anders als von Bonedo und meinem Vor-Rezensenten beschrieben, war mein Exemplar werksseitig NICHT gut eingestellt. Der Sattel war nicht tief genug gefeilt (nur vorgekerbt?), die Bridge war zu hoch und der Hals war etwas konkav. Das kannte ich von Yamaha bisher anders. Also brachte ich die Gitarre zum Guitar-Doc und bekam dort eine perfekte Einstellung. Jetzt ist alles tiptop. Die gute Einstellung wirkt sich möglicherweise auch auf den Klang aus, denn ich hatte den Eindruck, dass die Gitarre am Verstärker vorher tendenziell dumpfer klang. Nach dem Setup war das verschwunden, die Gitarre hat ausreichend Höhen, der Tonregler ist nutzbar.
Das mitgelieferte Softcase ist ganz ordentlich, war mir aber nicht robust genug. Wer mit der Gitarre viel unterwegs sein möchte, sollte in einen besseren Transportschutz investieren. (Ich kann die Cases von Mono empfehlen, sie sind ihren Preis wert.)
Fazit:
Das Instrument kann ich für alle cleanen und crunchigen Anwendungsbereiche sehr empfehlen und nehme an, dass es auch härtere Gangarten mitmacht. Ich weiß nicht, warum Yamaha in der E-Gitarrenwelt keine so große Rolle zu spielen scheint, wie manch andere Hersteller. Dass das zu Unrecht so ist, beweist für mich diese Revstar-Serie. Aufgrund der unzureichenden (fehlenden?) Werkseinstellung habe ich einen Stern bei der Verarbeitung abgezogen. Da in den Rezensionen zu den anders lackierten Varianten dieser Gitarre ebenfalls eine hohe Saitenlage moniert wurde, gehe ich davon aus, dass mein Exemplar kein Einzelfall war. Daher würde ich den Kaufinteressierten empfehlen, den Thomann-Einstellservice mit zu ordern. Ansonsten gibt es an der Verarbeitung nichts auszusetzen. Verwendete Materialien und Hardware sind von hoher Güte. Ihr bekommt richtig gute Qualität für einen sehr moderaten Preis. Es würde mich interessieren, ob die in Japan gefertigte, aber mehr als doppelt so teure Professional-Serie der Revstar (außer beim Setup) nochmal deutlich etwas draufzusetzen vermag.
Update nach gut 10 Monaten (Juni 2023):
Nach wie vor bin ich zufrieden und begeistert von meiner Revstar. In einem Punkt möchte ich mich aber revidieren: Den beschriebenen passiven Boost, den man durch Ziehen des Ton-Potis aktiviert, nutze ich inzwischen auch gern bei cleanen Sounds. Nachdem ich es einige Male in Probesituationen (in Ermangelung anderer Boost-Möglichkeiten) ausprobiert habe, konnte ich entdecken, dass die Frequenzverschiebung auch Vorteile hat. Die wärmere Klangfärbung des Boost erzeugt nämlich den Eindruck, dass die Gitarre nicht nur lauter wird, sondern dass sie psychologisch/räumlich näher an den Zuhörer rückt, um ihm ins Ohr zu flüstern. Der Kontakt zum Zuhörer wird irgendwie intimer... Vielleicht wollte Yamaha das mit dem Begriff "Focus-Switch" (akustische Lupe?) ausdrücken. Nachdem ich das so wahrgenommen habe, setze ich es auch gern in diesem Sinne ein. Cool. :-)