Die mutmaßlich 14-jährige Person mit Testosteron-Überschuss, die das Marvel-like-Ultrascheußel-Design letzten fünf oder sieben Zoom-Recorder verbrochen hat, war offenbar einen Tag lang krank gewesen, und so musste die Azubine ran. Ihr verdanken wir die Gestaltung des Recorders R4, die zwar keinen Designpreis einheimsen wird, dafür aber auch keine Augenkrebsgefährdung auslöst wie die letzten Produkte der Firma.
Sehr gut: die 4 Spurfader am Gehäuse, die auch im Quick Bounce und bei Projektexport aktiv bleiben (Achtung: Sind sie alle runtergezogen, ist auf dem File kein Ton drauf).
Ebenfalls super: Nach dem Bounce bleiben die Einzelspuren als solche im Speicher und können in der DAW einzeln weiterbearbeitet werden. Das macht den R4 zum heimlichen Taschenstudio: Vielspurprojekte lassen sich mühelos vorproduzieren, aufnahmetechnisch gesehen.
Noch gut: der Verzicht auf ungeschützte Mikrofonkäpselchen außen (die bei allen Zoom-Recordern aussehen wie aus Metall, aber nur hauchdünne Hartplastikhüllen haben, die leicht zerbrechen). Das stattdessen eingebaute Minimikro tut's immerhin für Sprache und/oder musikalische Skizzen aller Art.
Auch schön: Datenaustausch mit dem Rechner ist im laufenden Betrieb möglich (Minirecorder H1 musste erst ausgeschaltet werden).
Recht gut: die Reduktion der Effekte auf Wesentliches und Sinnvolles sowie die Menüführung insgesamt, sowie die Rhythmusabteilung, die neben Metronom auch diverse praktische Drumbeats bietet (die ggf. mit abgemischt werden im Bounce, aber nicht als Einzelspuren verarbeitbar sind), in ausreichender Stilbandbreite inklusive einiger 3/4-tel, eines 12/8-tel und eines 5/4-tel Taktmaßes.
Gut die Handlichkeit des Geräts, das gestochen scharfe, farbige und große Display und die Bedienteile der Hardware.
Eher fummelig die Einstellung von Parametern in den Menütiefen, die sich leider nicht speichern lassen, sondern immer aufs Neue eingestellt werden wollen. Fast unbrauchbar das Benennen von Projekten am Gerät (völlig Banane. Schaut euch mal bei Helix an, wie sowas geht)! Das lieber am Rechner machen. Gut wieder, dass der R4 auch am Rechner eingegebene Projektnamen bis zu 13 Buchstaben erkennt. Spuren lassen sich nicht benennen. Effekte gips nur über Combibuchse (Input) A oder übers eingebaute Mic. Mic und Input A schließen einander aus: entweder Mic oder Input per Kabel. Spur 1 und 2 sowie Spur 3 und 4 lassen sich leicht zu Stereospuren zusammenlegen, wobei die Aufnahmen dann als je zwei Monofiles vorliegen. Die zwei Kombibuchsen unten (für Klinke oder XLR) gefallen natürlich, ebenso der Umstand, dass das eingebaute Mic (mit Kugelcharakteristik) unten am Gerät sitzt: So bleiben die Anzeigen erkennbar beim Aufnehmen! (Das wurde Zeit!)
Projektexport - das Erstellen eines Files im Gerät - läuft sehr gemächlich (zeigt aber an, wie lange) und funzt als WAV oder MP3. Letzteres leider fix auf 128 Kb und nicht veränderbar.
Etwas unschön: Der Name des aktuellen Projekts erscheint nicht im Display. Du musst selbst wissen bzw. dir merken, woran du gerade werkelst.
Wohl nicht vermeidbar: Um alles Neue automatisch mit Zeitstempel versehen zu lassen, braucht das Gerät ständig 4 AA-Bakterien. Bei Stromanschluss via USB (C) hat dieser jedoch Vorrang, immerhin.
Was ich schmerzlich vermisse: Es lassen sich keine Marker setzen und damit keine Stellen im Song gezielt anfahren. Auch ist kein programmierbarer Punch-In/Out möglich. Geht nur von Hand (was reichlich unpraktisch ist, da im Lieferumfang keine Sklavenperson enthalten ist, die dir aufs Knöpfchen drückt, wenn du beide Hände am Instrument hast, um eine bestimmte Stelle der Aufnahme zu korrigieren).
Sehr gut natürlich die 32-Bit-Float-Aufnahmetechnik, die tatsächlich das Einpegeln erspart (welch ein Luxus!), und so Kleinigkeiten wie die Gewindebuchse fürs Stativ, die aus Metall (und damit haltbar) ist.
Nach den enttäuschenden Multitrackern R12 und R20, die wie modern aufgehübschte, in Wahrheit aber bis zur Untauglichkeit kaputtgesparte Nachfolger der üppig ausgestatteten und gut durchdachten R8 und R24 wirken, sowie den aktuellen Design-Ungetümen der neuen Handrecorder, zu denen übrigens die bisherigen Mikrofonaufsätze nicht mehr passen (Zoom will den Kauf der neuen erzwingen), hat die mit all diesen jüngeren Bausünden schon allmählich fragwürdig werdende Firma noch einmal etwas Innovatives gewagt und geschaffen.
Der Handrecorder R4 ist klar als Ergänzungsgerät für die DAW und den Rechner konstruiert (anders als Vorgänger H4n versucht R4 erst gar nicht, "alles in einem" zu bieten, sondern beschränkt sich auf Wesentliches). Das Ergebnis ist ein sehr gutes und taugliches Handgerät mit durchdachter Ausstattung, sehr brauchbarer Qualität, innovativen Aspekten und nur wenigen Schwächen. Mit Abstand das beste Produkt von Zoom seit vielen Jahren!