Ich hatte mir ehrlich gesagt nicht viel erwartet, auch die diversen Videos - großteils von der Combo Version - klangen zwar ganz nett, aber auch nicht weltbewegend. Aber bei diesem Preis musste ich diesen Amp mal testen, zumal mir die Alternative, der Mighty 5TH klanglich nicht so ganz zusagte.
Umso überraschter war ich von diesem Amp in echt. Die cleanen Sounds sind schön, offen, transparent und mit einer guten Prise singender, amerikanischer Kompression, wie man das von Marshall oder Vox Amps ohne mehr Gain eher nicht kennt. Breakup Sounds, ebenfalls cool und voll aufgedreht rockt der Kleine auch schon ordentlich, zwar nicht wie ein Plexi, deutlich amerikanischer, tweediger, aber durchaus überzeugend. Woodstock Santana oder sowas geht auf jeden Fall.
Schaltungstechnisch ist das eine Art 5E2 (Tweed Princeton), der mit Kathoden Bypass Kondensator in V1 etwas heißer als der 5F2 rüberkommt, die Tonregelung ist aber etwas anders, statt der typischen Bright-Cap - Treble-Cut Regelung nach V1 wird hier eine eher von alten Gibson GA Amps bekannte Tonreglung nach V2 verwendet, die als lokale Negative Feedback Loop an die Kathode von V2 (und an Masse) geht. Regelt meinem Empfinden nach etwas gleichmäßiger, dezenter und sorgt für weniger dumpfe Sounds beim Runterdrehen. Die Schaltung selbst ist laut Schaltplan einwandfrei, am Original angelehnt, mit wenigen, aber sinnvollen Optimierungen.
Trotz allen Lobes klang mir der Amp nach einer Weile doch etwas zu höhenlastig, gerade mit kleineren Speakern und Cabinets und Tone fast immer ganz runterdrehen zu müssen ist jetzt nicht meine persönliche Idealvorstellung. Daumenregel: Volume und Tone in etwa gleich einstellen, und dann feinjustieren funktioniert meiner Ansicht nach am Besten.
Den Sound kann man mit besseren Röhren zusätzlich optimieren und ausbalancieren, als Endstufenröhre scheint eine JJ6V6S oder Tung-Sol 6V6 eine gute Figur zu machen, während mir die JJ ECC83S in dieser Schaltung immer noch etwas zu viele Höhen lieferte, wohingegen eine Tung-Sol 12AX7, die ich sonst kaum verwende, die Höhen deutlich runder und musikalischer klingen lässt, aber immer noch genügend amerikanisch klingt, so dass man den ganzen Tonreglerbereich effektiver nutzen kann. Eine RFT kommt auch super.
Wer’s deutlich cleaner haben will, kann auch statt der 12AX7/ECC83 testweise eine 12AY7, ECC83MG oder ECC832 einsetzen. Ob das Resultat damit besser klingt, ist Geschmackssache. Mag die Funktionalität als Pedal-Platform erhöhen, da ich aber auf echtes Tube Amp Overdrive stehe, ist mir die 12AX7/ECC83 lieber.
Was mir sehr gefällt, ist dieser leicht singende, leicht komprimierte, dennoch immer noch dynamisch spielbarer Grundcharakter, mit sowohl mehr als genügend Höhenbiss als auch zugleich bluesiger Sweetness, so wie ein Tweed Amp halt klingen soll. Fast schon so eine Art Dumble for the Poor, nur deutlich günstiger als ein Boutique Amp und neben diversen LoW Vox, Marshall, Orange basierten Amps die passende amerikanischer klingende Ergänzung, die mir klanglich in meiner Sammlung noch fehlte.
Ein EQ Pedal davor tut's für mehr Soundvielfalt auch und ermöglicht neben der eigentlichen Aufgabe auch die Simulation des fehlenden Low Inputs (-6dB Level Reduktion) oder bei Bedarf auch einen entsprechenden Input Boost. (+6dB oder mehr liefen schon fast Plexisounds, aber immer noch mit schöner Amerikanischer Note, senkt man die Bässe etwas ab, 100Hz und darunter und boostet die 2kHz, reduziert aber 4kHz etwas, klingt's noch besser.)
Verträgt sich tendenziell gut mit ganz unterschiedlichen Speakern und Cabinets, ist natürlich auch Geschmackssache, so wie die Röhren, aber natürlich ein Vorteil des Heads gegenüber der Comboversion. 8” Speaker sind für mich einfach nicht so ganz das Wahre, auch nicht mit LoW Amps, egal ob Celestion oder Jensen, passen aber notfalls auch gut, 10" geht fast alles verfügbare, bei 12" ist definitiv der Celestion 100 mein Favorit, noch besser als 212 Closed Back. Aber auch ein Paar EV-SRO's klingen super, oder WGS Black & Blue...
Sogar die hier interessanter Weise nicht typische Power Attenuation mit (eher soundkillendem) Leistungswiderstand am Trafoausgang sondern mittels eines zusätzlichen Kathodenwiderstands klingt nicht schlecht.
Fazit: Viel Sound für wenig Geld. Das fehlende Mastervolume mag einigen fehlen, aber da ich meine Amps ohnehin fast nur mehr über Load Box und mit IR’s dahinter auf Line-Level spiele, ist's für mich nicht wirklich relevant. Wer keine Load Box oder keinen Power Attenuator hat, für den könnte der Amp aber im Heimbetrieb aufgedreht doch zu laut werden. Dafür klingt’s besser und echter als diverse leisere digitale Spielzeuge...
Ergänzung 1: Der Amp hat intern einen Trimmer, um allfälliges Netzbrummen zu filtern. Scheint bereits super eingestellt zu sein, da dies einer der leisesten Amps ist, den ich bisher hatte. Vorbildlich!
Nicht so ideal ist der Amp zum Modden, da ein Großteil der Schaltung in SMD Bauweise ausgelegt ist. Muss aber auch nicht sein, mit externen Hilfsmitteln lässt sich der grundsätzlich schon gute Sound durchaus auch und einfacher optimieren.
Nachdem mich dieser Amp sehr positiv beeindruckt hat, folgt vermutlich der Tube 15 mit seinem heißeren Sound und britischerem Voicing auch noch irgendwann. Bei diesen Preisen sind beide Schnäppchen!