Thomann lud mich per E-Mail ein, die erste Bewertung für diese Gitarre abzugeben. Gerne will ich es versuchen, muss aber warnen: Das ist keine unbefangene Bewertung! Denn wenn man vor sich selbst einen so hohen Preis für eine Akustikgitarre rechtfertigt, dann hat das mehr mit Emotionen als mit Sachlichkeit zu tun.
Vorgeschichte:
Ein Bekannter gab mir seine frisch erworbene 000-42 aus er Modern-Deluxe-Serie kurz in die Hand (die aufgrund aufwendiger Verschnörkelungen noch mal drei Tausender extra kostet) und ich war sehr angetan, Verarbeitung, Bespielbarkeit (traumhafter Hals - mattiert und dezent asymmetrisch) Sound und Schönheit sprachen mich sehr an und ich konnte ihn nur beglückwünschen. Allerdings gibt es die 000-42er nicht ab Werk mit einem Tonabnehmersystem, und so studierte ich die Martin-Modelpalette, um herauszufinden, ob auch ein Traum-Instrument für mich dabei wäre. Da mich die Triple-0-Korpusgröße am meisten anspricht, weil ich sie für besonders vielseitig halte, fokussierte ich schnell die OM-28, denn das "orchestra model" hat ebenfalls den Triple-0-Korpus, allerdings kombiniert mit einer 2 cm längeren Mensur (quasi Fender statt Gibson). Dazu gibt's dann weniger auffällige Schnörkel und in der E-Version auch gleich ein tolles Tonabnehmersystem ab Werk. Der "Endgegner" war gefunden...
Showdown:
Eine Kaufabsicht stand noch nicht fest, als ich dann Thomann vor Ort einen Besuch abstattete um die OM-28E zu testen. Zum Vergleich habe ich mir zwei fast ebenso kostspielige Taylor-Gitarren kommen lassen, um mir in der Kabine in Ruhe ein Bild zu machen. (danke, liebe Thomänner!) Natürlich weiß ich, dass das ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen ist, aber insgeheim hatte ich erwartet, dass mir die Taylors mit ihren (vermeintlich) moderneren Features besser gefallen. Mit den Highclass-Taylors fing ich an und deren Sound strahlte schon beim sanften Anspielen unglaublich differenziert und perlend in meine Ohren. Wahrhaft ein Erlebnis! Dagegen klang die Martin viel normaler, also zwar schön, aber eher unaufgeregt und vertraut. Nach wenigen Hin- und Herwechseln der Gitarren wurde aber schnell klar: Die Taylors können mit der Zeit auch ein bisschen nerven mit Ihrer Strahlkraft. Sie komprimieren, das heißt, sie geben schon bei mäßigem Input ihr volles Potenzial ab, während dann bei weiter zunehmendem Anschlag kaum noch etwas passiert. Hier reagiert die Martin deutlich "analoger". Jede Anschlagsnuance wird individuell abgebildet, Fingerpicking erklingt durch die hochsensible Ansprache lebendiger, als man es fast glauben mag und beim Strumming scheint nach oben hin keine Grenze zu existieren. Trotz des relativ schmalen Korpus kann die Martin also richtig laut werden.
Features:
Auf die einschlägigen, im Netz befindlichen Testberichte möchte ich verweisen. Die Bünde sind aus goldfarben legiertem Edelstahl, passend zu den vergoldeten offenen Mechaniken. Die Markierungen und das Martin-Logo schimmern in edlem Abalone. Alle Hölzer sind von absolut ausgesuchter Qualität. Die Decke wurde einem künstlichen Alterungsprozess unterzogen, ohne dadurch dunkel geröstet zu erscheinen. Herringbone- und Ahorn-Binding bieten auch dem detailversessenem Auge uneingeschränkte Freude. Inwieweit die Saitenpins aus "liquid metal" und die innenseitig unter der Bridge montierte Carbonverstärkung den Klang beeinflussen, weiß ich nicht, aber das Ergebnis überzeugt. Halsprofil und Griffigkeit sind (ähnlich wie bei der oben erwähnten 000-42 Modern Deluxe) für mich perfekt. Dabei ist der Hals nicht (wie erst angenommen) asymmetrisch, sondern fühlt sich nur so an, weil das leichte V-Profil in Richtung der höheren Lagen leicht abflacht, so dass der linke Daumen stets die richtige Stellung findet. Die elektrische Ausgabe über die (vom Gurtknopf separate) Klinkenbuchse ist über jeden Zweifel erhaben - von der leichten Einstellbarkeit über die Regler am Schalllochrand bis hin zur Klangausbeute live oder beim Recording.
Fazit:
Der Traum hat sich erfüllt. Meine letzte Skepsis, ob ich denn einer solchen Gitarre jemals gerecht würde, zerstreute meine ebenfalls anwesende bessere Hälfte, die (ohne die Preise zu kennen) gleich meinte, dass die Martin deutlich besser, nämlich edler und souveräner klänge und ich mir diese Freunde und vermutlich niemals versiegende Inspiration doch gönnen sollte. Na dann... Besser geht's nicht, höchstens anders.
Vielen Dank liebes Thomann-Team für den schönen Gitarrengurt und für die Einladung zu Kaffee und Kuchen im Eurem Café für meine Frau und mich. Den Tag vergessen wir nicht. Und apropos Emotionen: Die Frau des Firmengründers Christian Friedrich Martin hieß Ottilie. Und diesen Namen trägt nun auch meine Martin.