Auf der Suche nach einem warmen, druckvollen, nuanciert und offen auflösenden, schillernden (aber nicht in den Höhen penetranten oder künstlichen) Mikro bin ich mit den e965 mega-fündig geworden...wenn es nur weniger koppeln würde (mehr dazu später...). Für "schönen Gesang" (nicht unbedingt Haurück-Rock der rabiaten Art) bläst dieses Prachtstück nicht nur dynamische Mikros total aus dem Wasser, sondern auch viele Kondensatorkollegen. Gestestet habe ich mit guten Aktivboxen (Mackie SRM-450) und einem weniger guten aber noch annehmbaren Pult (LD Systems LAX 8D), das von der Qualitätsstufe her ähnlich ist wie das, was viele Live-Clubs so bieten. Ich singe Rock, Pop und Folk in einem unplugged Duo und habe folgende Mikros bislang benutzt oder getestet: Shure SM58, Beta 58, Beta 87 (Kondensator), AKG C5900 (Kondensator), Audix OM-6, Sennheiser MD 441, MD 421, MD 42. Vergleiche zwischen dem e965 und diesen ziehe ich nachher gleich.
Das e965 spricht äußerst dynamisch an! Jede Nuance wird "groß" übertragen - Drama pur! Es macht richtig Spaß, leise reinzuhauchen und ALLES zu hören, dann die Lautstärkenschraube stufenweise raufzudrehen oder immer mehr "Kante" in die Stimme zu bringen und zu hören, wie das Ding alles mühelos abbildet. So entspannt müsste Singen immer sein! So etwas habe ich bei einem Live-Mikro noch nie erlebt. Damit wird die Stimme äußerst steuerbar und man bekommt Lust, mehr mit Stimmfarbe und Lautstärke zu spielen.
Die Bässe (Nahbesprechung) kommen fett und druckvoll, trotzdem keinesfalls matschig, und nichts poppt, weder unten noch oben herum.
Die Mitten und Höhen sind wunderbar durchsetzungsfreudig ohne aufdringlich zu sein, wobei eine leichte, konstant spürbare Dauerseidigkeit über allem liegt, vermutlich relativ weit oben im Spektrum (jedenfalls ist sie nicht vordergründig, und springt einem nicht an wie z.B. beim Shure Beta 87. das viel Biss hat - zuviel für meinen Geschmack, da die Grundwärme dazu fehlt). Diese Dauerseidigkeit ist nicht ganz perfekt für meine Stimme, stört aber auch nicht, und ist viel musikalischer als das, was alle anderen von mir getesteten Mikros im Hochtonbereich so produzieren.
Wenn wir schon am Vergleichen sind, hier einige Unterschiede zu den o.g. Mikros:
. SM 85: Was Sprachverständlichkeit, Glanz, Druck und Impulsivität angeht, wäre jeder Vergleich Quatsch. Allerdings ist die beliebte Basswärme eines SM 85 gar nicht so schlecht im Vergleich. Soll heißen: Das e965 bietet SM 85-Anhängern Bassfreuden, die viele andere Mikros nicht bringen.
- Beta 58: OK, das Ding schillert mehr oben herum als das alte 58, gefällt mir aber gar nicht im Vergleich mit dem e965. Oben herum ist einiges zu künstlich angehoben, und irgendwie ist das Ding steril.
- Beta 87: Wie gesagt, ihm fehlt im Vergleich die Basswärme, und die Höhen können schon etwas nerven. Ein Mikro mit viel Durchsetzungsvermögen, aber das e965 hat von ALLEM was, und das natürlicher und voller und edler. Also auch hier: kein Vergleich - ganz andere Lige!
- AKG C5900: Viel zu speziell vom Sound her. Zu viele (mir nicht passende) Betonungen der oberen Mitten. Ganz eigener Sound. Ein Glanz, der mich persönlich nervt. Poppt ziemlich doll bei Nahbesprechung. Kein Vergleich mit dem ausgeglichenen und trotzdem schillernden e965.
- Audix OM-6: Schönes Teil! Wurde mir von Thomann empfohlen (gute Wahl!), und ich hätte es als billigere Alternative zum e965 beinahe behalten, aber es braucht viel Gain (was mein Pult nicht bietet), und die Basswärme war zwar da, nur leider nicht mal ganz so wie beim SM 58. Dafür ist das Teil ziemlich feedbacksicher im Vergleich zum e965! Mehr dazu gleich. Jedenfalls ist dieses dynamische Mikro ziemlich interessant, wenn man nicht soviel ausgeben möchte.
- MD 42: Ein alter Klassiker, der im Vergleich zum e965 auch viel Basswärme bringt, jedoch vom Detailreichtum oben herum nicht mithalten kann.
- Die anderen beiden Sennheisers lasse ich außen vor, da ziemlich selten als Live-Gesangsmikro heute im Einsatz.
Nun zum Thema Feedback: Bei normaler (dezenter) Probelautstärke des Akustikduos und nur zwei offenen Kanälen (also komplett ohne Gitarren, und nur noch mit einem SM 58 an Kanal 2), gab es schon Feedback! Und das, obwohl nur eine einzige Mackie SRM-450 in ca. 5 Metern Entfernung im Betrieb war. Der Test war trocken, ohne Hall. Die Box stand diagonal vor dem Mikroständer in ca. 4,5 m Entfernung (rechte Ecke des Raums, der hohe Decken und einen Teppichboden hat, Rückwand abgehangen). Die Box zeigte in Richtung Sänger. Schon dort war das Wummern nicht erträglich, und als ich einen halben Schritt mit dem Mikro näher rangegangen bin, wummerte es so stark, dass wir den Master schnell runterschieben mussten, damit das Gewummere nicht den Raum – und die Box – zerreißt. Dabei war der Gainregler im Mikrokanal ganz normal auf ca. 12 Uhr eingestellt - halt so, dass keine Übersteuerung passieren könnte, wenn man mal schreit. Alle Tonregler waren auf 12 Uhr. Es war also erforderlich, den Bass-Cut bei 100 Hz einzuschalten, aber auch dann blieb ein Hang zum Feedback im Bassbereich - wahrscheinlich eine logische Konsequenz des GROßMEMBRANS, denn es fängt ja alles ein (soll es ja auch). Im Hochtonbereich war das Fiepen auch hin und wieder zu vernehmen, aber dann eher bei großer Lautstärke und mit zugedrehtem Plate-Hall.
Mit großem Bedauern habe ich das Mikro zurückgeschickt, da wir keinen FOH- bzw. Monitor-Mann oder Feedbackkiller haben und unseren Sound selbst mischen müssen, oft ohne Monitore (wir stellen uns manchmal etwas vor den Boxen auf). Für unsere Zwecke also ist dieses tolle Mikro leider nicht beherrschbar. Schade, schade, denn auch für das viele Geld hätte ich es gern behalten, so enorm gut war das Feeling beim Singen.