Das SVC 210 ist quasi schon ein Klassiker im Bereich der elektrischen Celli - insofern sind die Basics eigentlich alle bekannt.
Persoenliche Anmerkungen:
Mein Hintergrund, um meine Aussagen relativieren zu koennen: in meiner Jugend intensiv klassisches, akustisches Cello auf semiprofessionellem Niveau gespielt, zu feige (und vielseitig interessiert) gewesen um mich ganz der Musk zu widmen, viele Jahre auf gehobenem Hobbyistenlevel in Uniorchester und Streichquartett gespielt, dann irgendwann das "Dilettantentum" nicht ertragen und fast 20 Jahre kein Cello mehr angefasst. Jetzt, mit Anfang 50, fange ich neu an, mit anderer Zielsetzung und anderem Anspruch - eher Improvisationen als Schumann Konzert, eher meditative kleine Musikvideos produzieren als vor Publikum Bach Suiten und Kodaly zu performen. Da ich obendrein mittlerweile Europa verlassen habe und in subtropischem Klima lebe, ist ein unempfindlicheres E-Cello, das vielleicht irgendwann noch von einem Carbon-Cello Gesellschaft bekommt die bessere und pflegeleichtere Wahl.
Wer ein elektrisches Cello kauft, sollte sich klar sein dass er kein akustisches Cello bekommt. Eigentlich trivial, aber man sieht zu oft Menschen Aepfel mit Birnen vergleichen.
Natuerlich klingt ein Instrument, das nur einen minimalen Klangkoerper hat, etwas schmalbruestig, besonders in den Tiefen, und nicht wie ein Goffriller (wenn man es rein akustisch spielt).
Natuerlich hat der Klang weniger Nuancen, und natuerlich spielt man ein industriell gefertigtes Produkt, nicht ein beseeltes Kunstwerk eines alten oder jungen Meisters.
Aber wer bewusst die Entscheidung fuer ein elektrisches Cello getroffen hat, wird mit dem SVC 210 hoechstwahrscheinlich sehr gluecklich werden. Denn was es leisten kann, leistet es ganz hervorragend.
Ich war, obwohl ich im Vorfeld reichlich recherchiert hatte, sogar etwas ueberrascht, dass auch ohne Verstaerker und Kopfhoerer ein relativ passabler Celloklang rauskommt - zum Ueben voellig ausreichend, wenn man einmal sein Gehirn davon ueberzeugt hat, dass es nicht den schwaecheren Klang mit brachialem Bogendruck auszugleichen versuchen soll. G und C Saite fehlt natuerlich der Wumms, aber in den Hoehen klingt es sehr ordentlich.
Schaltet man den integrierten Verstaerker ein, stoepselt einen Kopfhoerer ein und aktiviert vielleicht gar noch den eingebauten Reverb-Effekt (auf der kleinen oder mittleren Stufe, die dritte ist etwas arg hallig), entdeckt man eher kraeftigen, relativ natuerlichen Cellosound und kann sich ohne Schwierigkeiten einbilden, ein "richtiges" Cello zu spielen. Hat natuerlich viel mit persoenlichen Praeferenzen, Musikrichtung und Spielweise zu tun - aber fuer mich ist das Yamaha bei Klang und Spielbarkeit vergleichbar mit einem akustischen Cello der gleichen oder sogar etwas hoeheren Preisklasse.
Und wer Aufnahmen macht, muss je nach Qualitaetsanspruch nicht mit externem Equipment, Tonabnehmern und diversen Mikrophonen herumwurschteln, sondern verbindet das Cello einfach mit einem iPad oder dergleichen (das passende Kabel mit drei Ringen am Klinkenstecker ist leider nicht im Lieferumfang) und bekommt sehr akzeptable Ergebnisse.
Bekannt, aber in der Praxis doch ueberraschend ist das Gewicht des Instrumentes - ueber den Daumen gepeilt doppelt so schwer wie ein akustisches Instrument. Wenn man sitzt und normal spielt, kein Problem, wer aber Lindsey Sterling-Aktrobatik in sein Spiel integrieren will, tut gut daran, sein Calisthenics-Uebungsprogramm hochzufahren und Kraft zu entwickeln. Auch beim Transport gilt: handlicher, aber schwerer.
Kritikpunkte:
Wenige. Eigentlich nur einer.
Yamaha hat es quasi schon als Markenzeichen dass sie als Kontrast zur hohen Qualitaet ihrer Instrumente mindestens ein Zubehoerteil in erbaermlicher Placebo-Qualitaet mitliefern. Bei den E-Klavieren ist es das schrottige Sustain-Pedal, beim SVC 210 der idiotische Kopfhoerer. Billiger, normaler, doppelseitiger On-Ear, Klang maessig, mit der linken Muschel haut man regelmaessig an den Cellohals, auch das Kabel ist an der linken Muschel befestigt. Mumpitz. Es waere kein Problem, ohne hoehere Produktionskosten einen sinnvollen einseitigen Hoerer im Stile des Beyerdynamics DT 252 beizulegen, der einem nicht in die Quere kommt, vernuenftig klingt und das linke Ohr freilaesst so dass man das notwendige akustische Feedback von Griffbrettgeraeuschen, Abzupfen, Glissandi etc. besser mitbekommt. Aber bei sowas ist Yamaha bekannntlich lernresistent. Schwamm drueber, anstaendigen Kopfhoerer (einseitig) dazukaufen bzw. In-Ears verwenden und halt nur den rechten ins Ohr stoepseln.
Design ist bekanntlich Geschmacksache - persoenlich finde ich die Optik sehr gelungen, nur die Fake-"Schnecke" sieht so aus als haette da der Designer keine Lust mehr gehabt und laed dazu ein, zu Schnitzmesser und Dremel zu greifen
Ansonsten sind Verarbeitungsqualitaet und Produktdesign durchdacht und hochwertig, die Benutzung, auch der Elektronik-Funktionen, intuitiv und gut dokumentiert.
Selbst die mitgelieferte Tasche ist sehr akzeptabel, und auch die werksseitig aufgezogenen Saiten sind ok (ich werde noch mit Spirocore und Il Cannone versuchen, etwas knackigeren Klang rauszukitzeln)
Fuer Knickstachel-Liebhaber wie mich: der werksseitig eingebaute Stachel hat Standarddurchmesser 10mm und laesst sich problemlos rausziehen und durch einen anderen ersetzen (keine Ahnung ob der populaere, IMHO haessliche und ueberteuerte Stahlhammer Carbonstachel, bei dem auch die Birne ausgetauscht werden muss, funktioniert) - meinen alten dreiteiligen Tortelier-Stachel zum Stecken scheint es leider nirgendwo mehr zu geben, aber ein freundlicher Metallurge wird Dir problemlos aus einem normalen Stachel oder einem Stahlrohr gleichen Durchmessers fuer ein paar Euro einen zurechtbiegen.
Fazit: wer weiss was er will und ein hervorragendes E-Cello als zusaetzliches oder - je nach Musikrichtung - sogar Hauptinstrument sucht, wird mit dem SVC-210 nicht enttaeuscht.