ANFÄNGER empfinden dieses Buch vermutlich als zu schwer. Dabei präsentiert es alles Wesentliche, und mit Geduld, Beharrlichkeit sowie einem Musiklexikon sind Lücken schnell gefüllt. Als Autodidakt am Klavier gehe ich also frisch ans Lesen … und an die Klaviatur.
Das Buch verfolgt ein faszinierendes ZIEL: Regeln in einem Genre anzugeben, das die musikalische Freiheit schätzt. Nun, der Autor versteht sie als Starthilfe für eigene jazzige Exkursionen.
Für mich war die Entwicklungsgeschichte der Real Books in der Einleitung wichtig: Im Wesentliches steht dort also fast nie etwas Spielfertiges. MUSIKER müssen jenen Noten erst noch Leben einhauchen. Wie, warum und wo, davon handelt dieses Buch.
Der SCHWERPUNKT liegt dabei auf Akkorden: Wie sind sie aufgebaut, wie könnte ein Jazz-Spieler Akkorde nutzen? Dem Autor ist es wichtig, dass seine Leser Einsichten in Aufbau und Funktion der Musik bekommen. Beispielsweise sieht er keinen Nutzen darin, Akkordvielfalten und -abfolgen stur zu erlernen. Stattdessen ermuntert er, sie etwas abstrakter und damit universeller wahrzunehmen.
Ob am Klavier oder im Bandkontext: Ungünstig verteilte STIMMEN können dem Bassisten im Weg stehen oder andere Instrumente übertönen. An ca. 45 Jazz-Stücken zeigt der Autor daher beispielhaft Möglichkeiten am Klavier, die komplexen Akkorde je nach musikalischem Anlass sinnvoll zu verteilen.
Im Buch “fehlen” THEMEN, wie Rhythmik, Modi, strukturelle Improvisationstechniken und Ähnliches. Gerade mit diesen Einschränkungen gelingt es dem Autor, jeweils ein Türchen in die Welt einiger Jazz-Musiker einen Spalt weit zu öffnen.
WAS BRACHTE MIR dieses Buch beim ersten Durchlesen? 1) Basslinien … bereichern und beleben nun meine bisherigen Jazz-Schnipsel. 2) Notation mit all den Halb- und Ganztonverschiebungen … ist tatsächlich einfacher, als ich bisher dachte. 3) Meine Klaviatur fängt an, noch mehr “zu mir zu sprechen”: Klang inspiriert. 4) Meine bisherigen Improvisationen werden noch interessanter und machen, wenigstens mir, einfach nur noch Spaß.
PLUS: Wer hin und wieder dieses Buch zur Seite legt und es ausprobiert, entdeckt schnell, wie praktisch orientiert es ist.
MINUS: Da ein Index fehlt, habe ich einige Übersichten selbst erstellt und der Spiralbindung beigefügt. Ansonsten sehe ich keinen wirklichen Minuspunkt.
INTERESSANT: Was ich bisher für eigene Jazz-Begleitungen hielt, “hat viel Luft nach oben”. Ich stehe am Anfang (m)einer neuen Musikwelt.
FAZIT: ein Buch zum arbeiten und entdecken, für wiederholte Durchgänge. Es ist für mich eine meiner bisher besten Buchinvestitionen zum Jazz-Musizieren.