Keine Ahnung, was Lehrer*innen und Orchester-Hipster zu dem Instrument sagen würden - ich habe es gekauft, um den lang gehegten Wunsch zu erfüllen, mir selbst Cello beizubringen, und die Meinungen der doch eher snobistischen Streicherkolleg*innen ist mir eher so egal. Mir fehlt also die Vergleichbarkeit mit einem teureren Modell, aber ich habe viele Jahre Akustikgitarre gespielt und auch selbst Instrumente repariert und denke, deshalb trotzdem Verarbeitung und Sound beurteilen zu können.
Verarbeitung: Ist eher so lala. Die schwarzen Stellen am Wirbelkasten und an den F-Löchern sind in einer Farbe geschwärzt, die schnell abfärbt und dreckige Hände macht. Die Wirbel sind absolut nicht stimmstabil, wobei ich mir nicht sicher bin ob ich einfach gitarrenverwöhnt bin und es sich um ein typisches Problem von traditionellen Streichinstrumenten handelt, oder ob ich ein Montagsmodell erwischt habe. Besonders die C-Saite verstimmt sich über Nacht gerne um einen halben Ton. Der Kreidetrick hat bei mir leider nicht funktioniert, dafür sind die Löcher für die Wirbel zu schmierig. Die Bespielbarkeit ist ok. Das Finish wirkt wie aufgeklebtes Furnier. Nicht das schönste Instrument, aber irgendwo muss man bei dem Preis ja Abstriche machen. Es ist aber auch nicht so hässlich, dass ich es vor Besuch verstecken müsste. Ich nehme es einfach mit einem Schulterzucken so, wie es ist. Es soll Musik machen, keinen Schönheitswettbewerb gewinnen.
Worauf es wirklich ankommt, ist bei einem Musikinstrument der Sound, und den empfinde ich als gut. Es klingt, wie ich es von einem akustischen Cello erwarte. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist laut genug, um die Nachbarn zu ärgern, wenn man die Brücke mal richtig montiert hat. Dazu sollte man sich eine Anleitung im Internet anschauen, dem Instrument liegt sowas leider nicht bei. Die A-Saite kratzt etwas. Erledigt sich hoffentlich mit einem Saitenwechsel.
Der Bogen ist für mich noch etwas schwierig zu händeln, aber ich bin ja auch Anfänger und kann keine Aussage darüber treffen, wie gut oder schlecht er ist. Wertig wirkt er nicht, aber er tut, was er soll. Die Schraube ist leichtgängig, es fliegen keine Haarreste rum. Der Schwerpunkt liegt etwa bei 1/3 der Bogenstange, vom Frosch aus gesehen. Das mitgelieferte Kolofonium verwende ich nicht, sondern Pirastro Oliv, und damit bin ich zufrieden.
Die Tasche ist eher als Staubschutz gedacht. Wenn man sie zumachen möchte, muss die Brücke abmontiert werden, oder man lässt einen Teil des Reißverschlusses offen, um die Spannung auf die Brücke gering zu halten. Im ÖPNV würde ich das Instrument damit nicht transportieren. Im Auto mag es noch ok sein.
Insgesamt bereue ich den Kauf nicht. Langsam kriege ich auch den Dreh raus und es macht richtig Spaß zu spielen! Ich überlege aber, ob ich das Cello durch Wittner Feinstimmwirbel aufwerte, und ich bin gespannt, wie es sich nach einem Wechsel auf höherwertige Saiten anhört. Es ist wahrscheinlich kein Cello fürs Leben, aber für den ambitionierten Anfang auf jeden Fall. Ein schlechtes Instrument ist es nicht, und ich freue mich jeden Tag aufs Neue auf meine Trainingseinheiten. Need I say more?
NACHTRAG nach 8 Monaten Erfahrung:
Die Tuner sind wirklich die Hölle. Vor jeder Sitzung 5-10 Minuten stimmen zu müssen, und dann nochmal nach einer halben Stunde spielen (mit einem chromatischen Korg Tuner), ist frustrierend und killt einen Teil des Spaßes, den ich mit diesem Instrument habe. Gerade die C-Saite ist schwierig zu stimmen, der Feintuner muss da oft fast auf Anschlag gedreht werden, da ist eventuell keine Luft mehr für noch mehr Feintuning. Wenn sich die Saite dann weiter verstimmt, hilft nur Feintuner rausdrehen und Stimmwirbel justieren, dann mit dem Feinstimmer nachjustieren. Ich mag mir nicht ausmalen, wie das bei einem Konzert ausschauen soll, wenn man zwischen den Stücken kaum Zeit zum Stimmen hat. Für mich wäre das Cello daher nicht gigtauglich. Ich weiß nicht, ob ein teureres Cello da besser wäre, aber man sollte das vor dem Kauf wissen und ggf. einpreisen. Wenn es aber mal gestimmt ist, läuft es auch und klingt (meiner Meinung nach) sehr schön.
Ich bewahre das Cello an einem Ort auf, wo es leider einigen Temperaturschwankungen ausgesetzt ist (ausgebauter Dachboden = kältester Ort im Winter, heißester Ort im Sommer). Mir war vorher schon klar dass das nicht ideal ist und Probleme machen könnte, aber ich kann das Cello leider wirklich nirgendwo anders aufbewahren. Gerade dieses Jahr mit der Rekord-Hitze musste es einiges durchmachen. An einer Stelle hat sich die Decke leicht (1-2mm, 2 cm lang) von der Zarge gelöst. Ich weiß nicht ob das an den klimatischen Bedingungen liegt die das Instrument aushalten muss, oder an einer schlechten Verarbeitung. Jedenfalls mindert es den Verkaufswert (wenn man dann mal auf ein teureres Cello umsteigen möchte und Cash braucht), und man muss jetzt vorsichtig sein dass sich das nicht ausweitet. An sich wäre das Problem vielleicht mit Leim + Schraubzwinge einfach zu lösen. Es stört mich nicht sehr, das Instrument spielt sich genauso und Klangunterschiede sind auch nicht zu merken. Seitdem entspanne ich die Saiten aber nach jedem Spielen etwas, was das Stimmproblem nochmal zusätzlich verschlimmert.
Da das wahrscheinlich ein Fehler von mir ist (dümmster Ort, um ein Instrument aus Holz aufzubewahren) bleibt meine Wertung gleich, aber mögliche Käufer*innen sollten das schon wissen und beachten. Hat ja nicht jede*r ein voll klimatisiertes Recording-Studio zur Hand!